Elisabeth fragt sich nach einem anstrengenden Tag, wo ihr Paket mit den neuen Jogging Schuhen steckt. Sie hatte die Bestellung bereits vor 10 Tagen in Auftrag gegeben und das Online-Shopping Versprechen war: «Wir liefern innerhalb von 5 Tagen». Ihr Freund Markus hingegen fragt sich, wie viel Geld er nach den letzten Weihnachtseinkäufen noch auf seinem Bankkonto hat und ob das Geld reicht, um alle Rechnungen Ende des Monates zu begleichen?

Elisabeth und Markus werden den Online-Shop und die Bank kontaktieren. Was wird jetzt passieren? Wie sollen sich die Unternehmen auf diese Kundeninterkation vorbereiten? 

Nach einer schlechten Erfahrung suchen sich ein Drittel aller Kunden einen neuen Anbieter aus. Das ist empirisch bewiesen. In der Tat ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde nach einer Interaktion einer Firma gegenüber illoyal wird, deutlich grösser, als dass der Kunde loyaler wird (The Effortless Experience, M. Dixon, N. Toman and R. Delisi, Portfolio Penguin, Seite 25). 

Elisabeth wird den Online-Shop per E-Mail kontaktieren, während Markus seinen Kundenberater anrufen wird, wie er es gewohnt ist.

Aus der Sichtweise der Unternehmen ist es wichtig, sich grundsätzliche Fragen über das Servicing Modell zu stellen, so dass die Kunden bestmöglich bedient werden können. Nachfolgend wird ein Vorschlag für ein holistisches Modell vorgestellt, welches eine stetige, gute Verarbeitung der Kundenanfragen sicherstellen kann.

Kunden selbst aber auch die Unternehmen können eine Interaktion auslösen. Unabhängig vom Auslöser entsteht immer ein Dialog, welcher entweder einen Mehrwert für beide Parteien generieren kann oder irritierend sein kann (Elisabeth fragt sich z.B., wieso der Online-Shop ihr eine Zufriedenheitsumfrage zustellt, obwohl sie das Paket noch nicht erhalten hat). Bevor die Optimierung der Dialoge stattfinden kann, sollten die Unternehmen zwei Bedingungen erfüllen, und zwar sollten sie wissen, wer der Kunde ist, und was sein Anliegen ist.

Daher sind folgende Bausteine in der Strukturierung eines Dialoges relevant:  

  1. die Verwertung der vorhandenen Daten: entweder für 
  2. die proaktive Lösung der Kundenanliegen oder für
  3. die reaktive Verarbeitung der Kundenanliegen. Dazu gehören die zwei genannten Bedingungen: Identifizierung des Kunden und das Verständnis seiner Anliegen
  4. die strategische Planung der Abwicklung der Kundenkontakte
  5. eine effiziente Durchführung des Prozesses
  6. das Feedback des Kunden über den durchgeführten Prozess zu erhalten und zu verarbeiten

In diesem Artikel wird der Fokus auf die ersten zwei Punkte gesetzt. 

1) Verwertung der vorhandenen Daten 

Unternehmen sammeln und besitzen eine Unmenge von Daten, welche verwertet werden können und für die oben erwähnten zwei Fälle benutzt werden können. 

a) Die proaktive Lösung der Kundenanliegen 

As in medicine, the rule “prevention is better than cure” also applies in business, if that is actually the case, why are companies waiting for customers to contact you? In our example, the dealer already knows that the parcel for Elisabeth will arrive late because it has not yet been sent. The bank knows that poor Markus has no more money in his account and that his wages will probably only be transferred in 20 days.

Die Unternehmen wissen tatsächlich sehr viel über die eigenen Kunden. Zentral wichtig ist eine saubere Verwendung (Einhaltung der Gesetze, des Persönlichkeitsschutzes, usw.) und eine intelligente Verwertung der Daten. Deswegen sollten Firmen, wenn immer möglich proaktiv handeln. Bei den geschilderten Fällen sollten sie etwas machen, bevor Elisabeth oder Markus sich melden. 

Die technologische Unterstützung, um proaktiv zu sein, ist bereits vorhanden. Man sieht sehr viele gute Beispiele, bei welchen dies im Ansatz erfolgreich umgesetzt worden ist. Zum Beispiel ist es gute und gängige Praxis bei den Kreditkartenherausgebern Kunden im Fall einer verdächtigen Transaktion direkt und automatisch zu kontaktieren («Haben Sie diese Transaktion getätigt?»), ohne abzuwarten, dass der Kunde sich meldet.

b) Die reaktive Verarbeitung der Kundenanliegen

Leider ist es nicht immer möglich Kundenanliegen im Voraus zu erkennen und proaktiv zu lösen, deswegen gibt es, wenn Kunden die Unternehmen kontaktieren, zwei Aufgaben zu erledigen. 

i. Die effiziente Identifizierung des Kunden (wer ist der Kunde?) 

In den meisten Fällen muss die Identität der Kunden überprüft werden. Heutzutage gibt es unterschiedliche Lösungen, wie z.B. das Login auf der Webseite oder bei einer App. Telefonisch kann man Kunden z.B. durch biometrische Ansätze automatisch erkennen.

ii. Eine präzise Identifizierung des Kundenanliegens (was braucht der Kunde?) 

Unternehmen können dank der Unterstützung von technologischen Lösungen diese Aufgabe schlank erledigen: Mittels «Artificial Intelligence» z.B., von einer «voice-to-text» Lösung, welche den Anrufgrund erkennt, bis zum altmodischen aber immer noch funktionsfähigen IVR (Interactive Voice Response; z.B. «Drücken Sie «1» für Fragen zur Rechnung).

Wenn diese zwei Aufgaben auf eine einfache Art und Weise für Elisabeth und Markus durchgeführt worden sind, dann ist bekannt: i) wer der Kunde ist und ii) was sein Anliegen ist. Jetzt geht es darum, «wie» die Prozesse clever abgewickelt werden können, so dass das bestmögliche Ergebnis erreicht werden kann.

2) Die strategische Planung der Abwicklung der Kundenkontakte

Die Grundlage für diese Aufgabe hat Bill Price mit der «Value Irritant Matrix» bereits gesetzt (Quelle: https://customerthink.com/the-best-service-is-no-service-turns-10-going-strong/ , Zugriff am 03. Januar 2020).  Das Ziel der «Value Irritant Matrix» ist, eine kritische Analyse der Prozesse durchzuführen. 

Mit der «Value Irritant Matrix» wird analysiert, ob ein Dialog für die beiden Hauptakteure (das Unternehmen und der Kunde) einen Mehrwert leisten kann, oder ob es irritierend ist. Anhand der Dialogklassifizierung kann man unterschiedliche Strategien verfolgen.

Selbstverständlich kann die Klassifizierung der einzelnen Prozesse für jeden Industriezweig unterschiedlich sein. Beispielsweise kann eine Änderung der Adresse für eine Bank irritierend sein, dagegen für eine Versicherung einen Mehrwert generieren. In der Tat kann eine Versicherung weitere Dienstleistungen etwa eine Anpassung einer Police anbieten. 

Nachfolgend werden die vier Optionen kurz erläutert: 

1) Simplify processes: 

Situation: Ein Unternehmen braucht die Aktualisierung der Kundendaten aus regulatorischen Gründen. Für das Unternehmen bringt dieser Prozess einen Mehrwert. Leider ist es für den Kunden stark irritierend (zudem verstehen die Kunden diese Art von Anfragen häufig nicht: wie oft haben wir als Kunden gedacht: «schon wieder eine Aktualisierung meiner Daten») 

In diesem Fall ist es sehr wichtig: 

  • Die Komplexität bei der Bewältigung dieser Aufgaben für den Kunden zu minimieren und 
  • die Verarbeitungszeit zu reduzieren bzw. den Zeitpunkt der Verarbeitung so flexibel zu gestalten, dass Kunden diese Aufgaben erledigen können, wann es ihnen am besten passt.

2) Eliminate processes: 

Situation: Elisabeth möchte herausfinden, wann ihr Paket ankommen wird. Sowohl für das Unternehmen als auch für Elisabeth ist die Abwicklung dieses Prozesses irritierend. Niemand erzielt einen Mehrwert. Hier ist es wichtig, dass keine Dialoge stattfinden. 

In diesem Fall ist es sehr wichtig: 

  • die Ursachen dieser Fälle zu verstehen und im Voraus zu eliminieren. Zum Beispiel wenn das Online-Shopping eine 5 Tage „Delivery“ verspricht, dann sollte das Online Shopping dieses Versprechen halten. 

3) Automate processes: 

Situation: Markus möchte wissen, wie hoch der Saldo von seinem Bankkonto ist, deswegen bringt ihm diese Gelegenheit einen Mehrwert. Dagegen ist es für das Unternehmen irritierend.

In diesem Fall ist es extrem wichtig:

  • die Prozesse so zu automatisieren, dass sie von den Kunden selbstständig durchgeführt werden können (ohne menschliche Interaktion)
  • Auf den Kanälen, welche für die Kunden relevant sind, soll die Möglichkeit bestehen, im Self-Service bestimmte Prozesse durchzuführen (Markus könnte den Saldo auf der Bank-App nachschauen). 

4) Exploit valuable dialogues

Situation: Der Kunde möchte sein Zeitungsabonnement kündigen, da er keine Zeit hat, die Zeitung zu lesen. In diesem Fall kann das Unternehmen einen Mehrwert für den Kunden leisten, indem es z.B. ein anderes Produkt anbietet (z.B. die digitale Version der Zeitung oder den Podcast der Zeitung). Mit diesem Angebot wird das Unternehmen den Kunden voraussichtlich nicht verlieren. Während der Kunde etwas erhält, was für ihn besser geeignet ist. 

Wenn ein Dialog einen Mehrwert für beide Parteien mit sich bringt, dann muss diese Gelegenheit ausgeschöpft werden. In diesem Fall ist der persönliche Kontakt erwünscht und es kann WIN-WIN Situationen generieren. In der Tat könnte der Mitarbeiter einen entscheidenden Beitrag leisten.

In diesem Fall ist es wichtig: 

  • Die Mitarbeiter zu befähigen und den Mitarbeitern Spielraum zu geben, um die Kunden bestmöglich bedienen zu können. 

Auch in diesem Fall gibt es einige Best Practices, um die Mitarbeiter zu unterstützen wie: 

  • «Next Best Action»: das System hilft dem Mitarbeiter den Kunden am besten zu bedienen. Was ist die «Next Best Action», welche benötigt wird, um das Kundenanliegen zu erledigen? Z.B. im Fall einer Kündigung, was kann der Mitarbeiter ihm anbieten, damit er weiterhin Kunde bleibt?
  • «Avoid Next Disruption»: das System kann in der Zwischenzeit auch voraussagen, welche die nächsten möglichen Probleme sind, die ein Kunde erleben wird (z.B. im erwähnten Beispiel könnte das Aufsetzen des Logins für die digitale Version der Zeitung Probleme verursachen)
  • «Value Generierung»: wenn der Kunde einen guten Service erlebt hat, dann gibt es eine grössere Wahrscheinlichkeit, dass der Mitarbeiter einen Mehrwert für die Firma und für den Kunden leisten kann (so wie im aufgeführten Beispiel, verliert das Unternehmen den Kunden nicht). 

Abschliessend haben Unternehmen sehr viele Optionen Kundenkontakte zu optimieren, so dass sie mit minimalem Aufwand und bestmöglichem Ergebnis durchgeführt werden können. Technologisch ist (fast) alles möglich, ich bin überzeugt, dass Menschen noch eine entscheidende Rolle bei den relevanten Fällen spielen können, und mit der «Value Irritant Matrix» kann sich ein Unternehmen kostenoptimiert und strategisch bestmöglich positionieren, um Kundenbedürfnisse zu erfüllen. 

4. Januar 2021, Gregorio Uglioni, The CX Goalkeeper– views are my own.

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